Urlaubfahrt - eine etwas andere Geschichte......

Seemannsgarn oder neudeutsch "Smalltalk"
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Gerhard

Urlaubfahrt - eine etwas andere Geschichte......

Beitrag von Gerhard » Do 25. Jan 2007, 14:24

Grüß Euch,

ich stöbere gerade in alten Aufzeichnungen und bin auf meinen damaligen Bericht über die Horreorurlaubsfahrt mit meiner N22 im Schlepptau gestoßen. Den will ich Euch nicht vorenthalten, also viel Spass beim Lesen !

Ihr fühlt Euch vom Leben ungerecht behandelt?? Ihr glaubt irgendetwas versäumt zu haben?? Ihr seid Euch sicher, dass alle anderen ein schöneres Leben führen als Ihr?? Ihr wisst aus langjähriger Erfahrung, dass der Technikteufel nur bei Euch zuschlägt??? Ihr seid deshalb verzagt und etwas missmutig?? Dann lehnt Euch doch entspannt zurück und gebt Euch meine Urlaubsstory 2004. Ihr werdet danach wissen, dass Euer eigenes Leben eigentlich wunderschön ist……
Also, alles begann damit, dass wir beschlossen, gemeinsam einen Familien - Segelurlaub zu wagen. Wer mich (und unsere Yacht) kennt, weiß, dass das kein einfaches Unterfangen werden konnte. Die Crew bestand aus meinem neunzehnjähriger Sohn, der zwar im Prinzip alles besser weiß, praktisch aber (wahrscheinlich hormonell beeinflusst…..) von einem Fettnäpfchen zielsicher ins nächste taumelt. Dazu eine fünfzehnjährige Tochter, die ihre Rolle in einer leidenden Galionsfigur mit Kopfhörern und in einem Anker nur das Symbol der Hoffnung sieht. Meine beste Ehefrau von allen fügt sich ergeben in ihr Schicksal und hofft, dass dieser Kelch ohne Bora an ihr vorübergehen möge. Hauptsache es sind genug Glimmstängel an Bord. Von mir will ich erst gar nicht reden, darüber soll eine berufenere Instanz entscheiden..…
Ich weiß nicht wieso, irgendwie muss mich (wieder einmal…) der Teufel geritten haben, dass ich eine Woche vor der Abreise auf die Idee kam, die gesamte Bordelektrik erneuern zu wollen. Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass wir bis zum Zeitpunkt der Abreise mit Ach und Krach nur mehr den Kühlschrank und ein paar armselige Lampen zum funktionieren brachten. Nun gut, den Rest erledigen wir eben auf See. Dachten wir zumindest….
Am Donnerstag arbeiteten mein Sohn und ich bis 0230 in der Früh. Seitdem hasse ich Blockklemmen, verschiedenfarbige Kabel, chinesische Gebrauchsanweisungen und undefinierbare Kleinteile. Nach einer Kurzdusche, ein paar Scheiben Salami und eineinhalb Stunden Schlaf brachen wir freitagmorgens voller Tatendrang Richtung Süden auf. Endlich Sonne, Strand, sanfte Brisen, halbnackte Frauen, fast kitschig anzusehende Sonnenuntergänge und der Hauch von dem, wie das Leben wirklich sein könnte !! Endlich kann ich mit dem neuen Leichtwindsegel den anderen treibenden Flössen zeigen, was segeln heißt und das nagelneue Schlauchboot ausprobieren….
Auf der Südosttangente dann der erste Dämpfer: Müssen diese rollenden Rostlauben alle um diese Zeit und gerade auf meiner Spur unterwegs sein?? Geht eigentlich niemand mehr arbeiten?? Kein Wunder, dass unser Budgetdefizit immer größer wird….
Vor Graz dann bei Tempo 100 und leicht bergab, ich pfiff gerade „o Sole Mio.“ vor mich hin, ein, fast als anmutig zu bezeichnendes Geräusch aus dem Motorraum. Nach dem sofortigen auskuppeln leuchtete das Armaturenbrett wie zu Weihnachten auf. Ich wusste gar nicht, dass der Reiskocher so viele Lämpchen hat. Ich bog auf den Pannenstreifen ab und rollte bis zur nächsten, glücklicherweise nahen, Notrufsäule aus. Nach eingehender Inspektion meinerseits, die außer öligen Händen nichts brachte, forderte ich Hilfe vom Öamtc an. Meine Positionsangabe an die zwar sehr freundliche, aber wahrscheinlich etwas „ortsunkundige“ Dame am anderen Ende lautete: …….“Ich stehe auf der Südautobahn, von Wien kommend, vor Graz. Direkt neben der Notrufsäule Nummer achtzehn“…….Diese Angaben allerdings bewirkten, dass man uns zwei ( ich wiederhole: zwei ) Stunden lang nicht gefunden hat….Seit ich besagte Zeit auf dem Pannenstreifen einer Autobahn verbringen durfte, bin ich übrigens glühender Anhänger jeglicher Lärmschutzmaßnahmen. Meine Crew zählte zwischen 35 – 45 Fahrzeuge pro Minute. Nur in die eine Fahrtrichtung !!! Die Erklärung des Pannenfahreres zu seinem späten Eintreffen lautete: „Die Straßenmeisterei hat eine andere Nummerierung der Notrufsäulen als wir, darum haben wir euch nicht gefunden“. Die drei heiligen Könige haben mit Hilfe eines Sternes nach Bethlehem gefunden, diese Spezialisten finden nicht mal die Notrufsäule Nr.18…..der gute Mann konstatierte dann schließlich: „oje, oje, Zahnriemen gerissen, Motor kaputt, das wird teuer, wo hätt`s denn hingehen sollen??“ Meine Familie beruhigte mich daraufhin mit Bananen, Mineralwasser und dem Hinweis, dass der Pannenfahrer ja eigentlich gar nichts dafür könne. Dieser schleppte uns dann zum nächsten Parkplatz, wo dann einer seiner Kollegen mit einem größeren LKW unsere Reisschüssel auflud, das Boot anhängte und uns zu einem Öamtc – Stützpunkt nach Graz brachte. Nachdem die Stimmungslage ihre Talsohle durchwandert hatte und ich mich wieder halbwegs normal artikulieren konnte, rief ich einen Freund an, ob er mir sein Auto borgen könnte. (Sucht mal jemanden auf die Schnelle, der Euch für drei Wochen ins Ausland ein passend großes Auto mit Anhängevorrichtung kostengünstig zur Verfügung stellt….) Klar wollte er mir seinen Range Rover borgen. Für was hat man denn schließlich Freunde? Also entwarfen wir folgenden Plan: Das Boot lassen wir auf den Öamtc Parkplatz stehen, fahren mit dem Clubmobil ins Waldviertel, schlafen dort, übernehmen am nächsten Tag das Auto meines Freundes, fahren nach Graz zurück, hängen das Boot wieder an, der Club bringt die Reisschüssel per LKW irgendwann ( wir sind ja schließlich drei Wochen unterwegs…) ins Waldviertel und der Urlaub geht mit kurzer Unterbrechung weiter…. So stellte sich zu diesem Zeitpunkt der kleine Gerhard die große Welt vor…..Ich erwähne nur am Rande, dass das Clubmobil erst von Bruck an der Mur zu holen war, und wir dorthin erst mit einem LKW zuckeln mussten, um es zu holen. Die Mädels warteten einstweilen beim Boot auf Sohnemann und mich. Autoholen aus der Ferne ist schließlich Männersache…. Dass ich mich bei der Rückfahrt in Graz verfahren habe, und den Stützpunkt längere Zeit trotz meines bekannt unfehlbaren Orientierungssinnes nicht gefunden habe, konnte mich schon nicht mehr wirklich erschüttern und braucht eigentlich auch niemand zu erfahren….leicht geschlaucht kamen wir nächtens mit leichtem Gepäck ( wir fahren ja gleich wieder… ) im Waldviertel an. Nach einer unruhigen Nacht ( im Traum erschienen mir statt halbnackter schöner Frauen kaputte hässliche Autos ) erklärte mir mein Freund an Hand einer Probefahrt die Details seines Range Rovers. Wir kamen geschätzte dreihundert Meter weit, dann brach die Halbachse ab. Einfach so. Aus, Ende. Hoffnungslosigkeit machte sich breit. Dieses Gefühl in der Magengegend kann man gar nicht richtig beschreiben, so etwas muss man selbst erleben…..Den nächsten Freund kontaktiert: „Klar kannst du meinen Geländewagen haben, nur leider habe ich ihn vor zwei Tagen in den Graben geschmissen, der gehört vorher repariert…..“ Drei kostbare Tage meines wahrscheinlich kurzen Lebens verbrachte ich nun damit, einen verbeulten Daihatsu Rocky, im Prinzip ein rostendes, fahrbares Klo, mit zwei Mann Unterstützung in einen halbwegs fahrbereiten Zustand zu bringen…Nicht zu vergessen, wir waren nur mit kleinem Gepäck unterwegs….. Fragt mich um keine Details, sonst verlieren meine Beruhigungsmittel schlagartig ihre Wirkung….Donnerstag in der Früh ging es wieder Richtung Graz. Ich kann den Namen Graz schon nicht mehr hören. Natürlich wieder Stau auf der Tangente. Natürlich haben wir ein Autobahnpickerl gekauft. Clever wie ich bin für die Rückfahrt (jetzt ja nur mehr in zwei Wochen) auch gleich eines. Vor Graz bei Tempo 120 wird die Karre heiß. Ich bleibe gaaaaaaanz cool. Eigentlich bin ich mehr paralysiert…Tempo reduziert auf 110, dann ging es wieder. Das Pflänzchen Hoffnung keimte wieder auf. Sag noch einmal wer Pessimist zu mir…..In Graz dann wieder verfahren. Berührte mich aber nur mehr peripher….Sensationell, in welch verlassene Ecke man einen Öamtc – Stützpunkt bauen kann….Der Ordnung halber erwähne ich nur, dass wir eine Stunde versch…. haben, um die Anhängerlichter zumindest teilweise zum funktionieren zu bringen. Eine seltsame Ruhe überkommt mich. Problemlose Abfahrt aus Graz. Nach fünf Kilometer Fahrt kocht allerdings der Kühler. Ich fühle, wie der Wahnsinn von mir Besitz ergreift. Meine Familie distanziert sich aus Sicherheitsgründen so weit es geht räumlich von mir. Ich starte einen zweiten Versuch, der wiederum auf dem nächsten Parkplatz kläglich endet. Später stellte sich dann heraus, dass der Kühler durch innere Ablagerungen verstopft war. Im Normalbetrieb und bei den sonst vorherrschenden Temperaturen im Waldviertel kam diese Tatsache nicht zum tragen, erst bei höherer Belastung stellte sich dieser Mangel dar. Das Pflänzchen Hoffnung war zu diesem Zeitpunkt bereits brutal zertreten. Mein Allgemeinzustand zu diesem Zeitpunkt war, zumindest wenn man den Aussagen meiner Familie Glauben schenken darf, mehr als besorgniserregend…Wir kehrten leicht genervt um, versuchten uns ins Waldviertel zurückzukämpfen. Wiederum bei Graz vorbei….Bei jedem Parkplatz und bei jeder Tankstelle müssen wir halten, um den Motor abkühlen zu lassen und Wasser nachzufüllen. Bis zum Wechsel schaffen wir es, dann wird der Motor zu heiß. Ich lasse ihn wieder abkühlen. Damit ich mir beim Kühlerverschluss öffnen nicht die Finger verbrenne, benutze ich einen Fetzen, den ich anschließend im Motorraum liegen lasse…..Nach der Abkühlphase neuerlicher Versuch, über den Wechsel zu kommen. Nach zehn Meter Fahrt gibt der Motor ein komisches Geräusch von sich und bringt keine Leistung mehr. Um nicht noch mehr zu ruinieren bleibe ich, nunmehr auf dem Pannenstreifen, stehen. Der wiederum zu Hilfe gerufene Öamtc – Mann entfernt mit einem seltsamen Blick einen mir völlig unbekannten Fetzen aus dem Ansaugtrakt des Turboladers, baut das Thermostat aus und verschwindet am Horizont. Frohgemut starten wir einen neuen Versuch, mit dem Ergebnis, dass wir zwar den Berg schafften, allerdings wiederum mit kochendem Kühler. Wir verlassen die Autobahn, besorgen uns einen Platz für unser Boot bei der Straßenmeisterei Grimmenstein / Warth und kämpfen uns nun solo, langsam und etappenweise retour in die Heimat. Mein Blickfeld verringerte sich auf den berühmten Tunnelblick. Nun weiß ich, was damit wirklich gemeint ist…. Samstags mietete ich mir beim örtlichen Autodealer ein passendes Fahrzeug und fuhr, natürlich über die Tangente, natürlich im Stau, diesmal allerdings alleine, das Boot holen. Meine tolle Crew ließ ihren Skipper eiskalt im Stich und ging ihren eigenen trivialen Vergnügungen nach…. Dass bei dem Mietwagen die Anhängekupplung nicht typisiert sowie der Kühlerventilator defekt war, interessierte mich nun wirklich überhaupt nicht mehr…..
Der Rest ist schnell erzählt:
Auch wenn Ihr es nicht glaubt, ich kam samstags abends heil mit dem Boot in die Heimat zurück. Die Etmale waren ja toll, nur leider über Asphalt und nicht über Grund……
Mein Sohn ging montags desillusioniert wieder arbeiten.
Meine Tochter setzte sich ihre Kopfhörer auf und verschwand in ihrem Zimmer.
Meine beste Ehefrau verschwand im Garten und bei ihren Freundinnen.
Freund 1 reparierte seine gebrochene Halbachse.
Freund 2 baute einen neuen Kühler ein.
Ich reparierte meinen Reiskocher, es waren 6 Kipphebel, zwei Zwischenstücke sowie der Zahnriemen kaputt.
Dann fuhr ich ein paar mal nach Ottenstein Jollensegeln.
Mein Gesundheitszustand hat sich angeblich wieder etwas gebessert, das unkontrollierte Zittern ist nicht mehr so arg und einen Teil der Beruhigungstabletten konnte ich auch schon wieder absetzen. Diese hebe ich mir aber bis zum nächsten Urlaub auf. Ganz bestimmt……
SY TERTIA

Urlaubsfahrt

Beitrag von SY TERTIA » Do 25. Jan 2007, 16:01

Hallo Gerhard,

vielen Dank für Deinen Bericht, haben herzhaft gelacht!
Was häst Du davon alle Deinen Aufzeichnungen mal in einer Homepage online zu bringen?

Gruß von SY TERTIA
Andreas
jan himp

Halbachse

Beitrag von jan himp » Fr 26. Jan 2007, 12:59

Lieber Gerhard,

mit einer solch schrecklichen Geschichte kann ja wohl kaum einer von uns aufwarten.
Nachträglich möchte ich meine herzliche Anteilnahme dazu ausdrücken, die Urlaubstage sind ja gezählt.

Wie wäre es, wenn Du mal was Nettes, ich meine das Foto des Jahres von dem kühlen Parkplatz hier einbringen würdest.

Ich habe das Foto ja, aber Du hast die Verbreitungsrechte.

Viele Grüße

Rolf
bfust

Beitrag von bfust » Fr 26. Jan 2007, 15:57

Ebenfalls meine aufrichtige Anteilnahme!
Habe daraus gelernt meinen fahrbaren Untersätzen wieder ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Heute wurde der bereits seit Monaten überfällige Ölwechsel durchgeführt..

Grüße,
Bernard
Andi

Beitrag von Andi » Sa 27. Jan 2007, 00:20

oh je oh je.... da drücken wir uns mal alle miteinander die Daumen, dass so was in der Neptungemeinde nicht wieder passiert..... mein aufrichtiges Beileid!

Als ich das gelesen habe, fiel mir spontan ein fast "explosives" Erlebnis einer meiner Urlaubsfahrten ein: Damals noch mit einem Motorboot stand ich am Brenner in Österreich auf dem Weg zum Gardasee zum Volltanken- erst das Auto, dann zwei Meter vor und rein den Schlauch in den Tank vom Boot. Es lief und lief und lief, als über 150 Liter auf der Uhr standen, dachte ich komisch, da war doch noch was drin - in den Tank passen doch nur 100 Liter... Kurz abgesetzt, und in das Loch gesehen..... konnte ich durchsehen bis zur Bilge (Schlauch abgegangen vom Stutzen)... und was schwamm da, Benzin in Hülle und Fülle... Ich werde es nie vergessen, als ich die Bilgenpumpe zur Benzinpumpe umbaute und versuchte das alles in den Tank zu pumpen, mir standen die Schweißperlen auf der Stirn und auf dem Rastplatz ringsum Urlauber die sich eine Kippe nach der anderen genußvoll reinzogen.... Als wir das geschafft hatten und den Rest in Wasserkanister die uns der Tankwart gab, gepumpt hatten, ging es weiter... Irgendwann nachts angekommen, geradewegs runter an den See, verfahren, am Strand umdrehen mit Gespann... was kam nun? Mein Auto grub sich bis zum Bodenblech ein (die Steine waren nur Tarnung über feinem Kies)... das konnte ich mit Wagenheber, Unterbauhölzern und allem möglichem Unrat welchen ich gefunden habe nach 2 Stunden graben und unterbauen auch noch lösen... dann kam der nächste Tag- endlich Bootfahren, reingeslippt, los ging's.. Nach etwa 3 Seemeilen ging der nagelneue Motor einfach aus... mitten in den Untiefen. Klasse: So lernt man, dass sich in einer Bilge ausser Benzin auch Wasser sammeln kann, welches im Tank nach dem Umpumpen nicht gut kommt, weil nicht zündfähig. Aber glaubt nur nicht, dass sich ein Itaker darum scherte, die Leine über zu nehmen. Somit mußte der Duschkanister dran glauben, um das Benzin-Wassergemisch rauszukriegen.... Frauen stehen im übrigen nicht auf "Eau de Benzin" mußte ich lernen...

Da ist mir die Neptun lieb, kaum Benzin, gemütlich mit Segel - eben ein toller Kaffeeracer.
Gerhard

Beitrag von Gerhard » Sa 10. Feb 2007, 21:31

Grüß Euch,
eine Geschichte gestehe ich Euch noch. Dann seid aber Ihr dran, einverstanden......

......ich sag Euch, ich bin ja so was von frustriert. Das letzte Mal bin ich vor ca. 18 Jahren mit einer „Mayflower“ - Jolle bei Split gekentert, und jetzt das. Also, es war vorletzten Donnerstag (hab’ erst jetzt genügend Zeit für eine Beichte), als es bei uns im Wald4tel ganz schön aus Nordwest blies. Also nichts wie raus zum Stausee. Meine Lieblingsfrau wollte zwar mit, musste aus familiären Gründen aber dann doch abwinken. Eine Delphino war bald aufgetakelt, aber dann kam es, wie es kommen musste: Nach einigen Kabellängen schlief der Wind ganz einfach ein, dafür näherte sich eine ziemlich große und dunkle Wolke, deren Geschwindigkeit und Inhalt ich leider ganz gewaltig falsch einschätzte. Meine Stimmung sank auf null, so wie der Wind. Mist, dachte ich, kein Wind, aber dafür werde ich waschelnass. Das hab’ ich wieder notwendig gehabt. Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, als mich die erste Böe gleichzeitig mit einem heftig einsetzenden Regenschauer erwischte. Aber wie!! Meine 85 Kilo Kampfgewicht ( Tendenz leicht steigend…. ) reichten gerade noch einmal aus, das anscheinend nicht ganz gut durchkonstruierte Kleinwasserfahrzeug in den Wind zu drehen und aufzurichten, obwohl die Baumnock schon durchs Wasser gezogen wurde. Und dann kam es zu einem fatalen Denkfehler meinerseits: In mir jubelte eine Stimme: „Endlich Wind, los, abfallen und die Schot dicht, dann geht die Post ab!!!“ Was ich dann auch prompt tat….. Die zweite Stimme, die entsetzt „ mach das ja nicht, du Blödel“ aufschrie, hörte ich leider zu spät, denn da hatte mich die zweite Böe schon flach gelegt. Sch…., bloß nicht durchkentern, durchzuckte es mich. Also die Beine über die Bordwand geschwungen und schnell raus aufs Schwert….. Dass da aber leider gar kein Schwert mehr da war merkte ich erst, als ich haltlos in den braunen Fluten des Ottensteiner Stausees kurzfristig versank. Als Brillenträger immer eine blöde Situation. Anscheinend hatte ich das Schwertfall nicht fest genug in seine Kammklemme gedrückt, daher war das damit verbundene Schwert beim Kentern in den Bootsboden verschwunden. Hilflos musste ich mit ansehen, wie sich die Jolle nun langsam, fast majestätisch, in die stabile Rückenlage drehte. Während der Regen wie wild auf mein graues (und nun auch patschnasses) Haupt trommelte und der Wind heulte und pfiff drängte sich mir die Frage auf, ob ich das in meinem Alter noch notwendig hätte… Na ja, wenigstens war das Wasser halbwegs warm. Nach dem bei den herrschenden Verhältnissen an ein aufrichten der Jolle nicht zu denken war, schnappte ich mir die Vorleine und schwamm, das Boot hinter mir herziehend, zu einem nahe gelegenen Steg, wo die Wassertiefe ausreichend war, um den Mast nicht zu beschädigen. Dann schwamm ich zu einer anderen Jolle hinaus, welche ebenfalls durchgekentert war, um zu helfen. Zwischenzeitlich war die Gewitterfront durchgezogen und Franz, unser „Vercharterer“ kam uns, trotz seinem verletzten und bandagierten Knie, mit seinem Gummiwutzler zu Hilfe. Wir mussten allerdings unter die Boote tauchen, um zu den Schwertfallen zu gelangen und die Schwerter ausfahren zu können. Wie gesagt, mit meinem Nasenfahrrad irgendwie eine unangenehme Angelegenheit. Das Aufrichten verlief dann planmäßig, nur der Wind war (natürlich…) wieder einmal eingeschlafen, darum schleppte uns Franz motorisch zum Steg zurück. Segel abgeschlagen und zum Trocknen unters Dach gebracht, mit dem Nasssauger die Jollen leergesaugt, noch schnell einen heißen Kaffee hinter die bibbernde Binde gegossen, dann ab nach Hause. Gefroren hat es mich wie einen nassen Hund, wie man bei uns so sagt. Meine Lieblingsfrau richtete mich dann freundlicherweise wieder moralisch auf, und nach einer ausgiebigen heißen Dusche habe ich diesem kippeligen und übertakelten Kunststoffgebilde Rache geschworen, denn beim nächsten Mal werde ich ihm kompromisslos und beinhart zeigen, wer hier der Herr in der Jolle ist, bei meiner Ehr’…… :D :D :D

Nachtrag:

1.: Erstaunlicher Weise funktioniert die Fernsteuerung meines Pkw's einwandfrei, obwohl sie ja eine halbe Stunde unter Wasser war…

2.: Nachdem ich nasse Kleider am Körper nicht mag, hab' ich die Klamotten in den Kofferraum gelegt und bin nackt, nur mit Sandalen und Sicherheitsgurt bekleidet, nach Hause gefahren. Nicht auszumalen, wenn ich in eine Polizeikontrolle geraten wäre.... Ich sehe die Schlagzeilen vor meinem geistigen Auge: "einem fünfzigjährigen Wüstling konnte im Waldviertel das Handwerk gelegt werden. Der bisher als unbescholten bekannte Gerhard K. wurde völlig (!!!) nackt am Steuer seines Pkw's angetroffen. Der durchnässte und offenbar unter Schock stehende Mann versuchte den Diensthabenden Beamten eine unglaubwürdige Geschichte aufzutischen, in der angeblich äußerst widrige Umstände sein Verhalten rechtfertigen sollten. Die Behörden ermitteln weiter und bitten eventuelle Augenzeugen, sich zu melden. Vertraulichkeit wird zugesagt..... "
Glücklicherweise bin ich "unertappt" zu Hause angelangt, und dank des elektrischen Garagentorantriebes konnte nicht einmal die Nachbarschaft einen negativen Eindruck von mir bekommen...

Wehe, Ihr lacht mich aus !! :D :D :D
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