blitzschutz

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tom

blitzschutz

Beitrag von tom » Mi 6. Sep 2006, 11:06

Hallo. Ich bin seit letztem Jahr Besitzer einer Neptun 22 (Bj. 78, Dinette), auf diesem Wege möchte ich mich gleich vorstellen. Mein Heimatrevier ist der Darß und Umgebung. Dieses Forum hat mir schon viele Antworten gegeben, vielleicht kann es mir ja auch jetzt helfen.

Am vorletztem Sonntag ist ein Blitz in mein Boot eigeschlagen. Ich war zu dem Zeitpunkt an Bord, bis auf einem gehörigen Schrecken ist mir aber nichts passiert. Leider hat det Blitz aber die gesamte Elektrik des Bootes zerstört. Davon betroffen sind Echolot, Motor, Lampen etc.
Ich denke, daß die Chancen für einen erneuten Einschlag bei mir sehr gering sind, aber mann weiß ja nie...
Meine Frage ist nun, ob ein Blitzeinschlag überhaupt abwendbar ist. Oder ob nur die Folgen durch geeignete Maßnahmen gemildert werden können. Wenn ja, welche? Ich bin gespannt auf eure Beiträge.

tom
Gerald

Blitzschutz

Beitrag von Gerald » Mi 6. Sep 2006, 15:26

Moin Tom,

erst mal mein herzliches Mitgefühl - so ein "Erlebnis" und auch die dadurch verursachten Kosten gönne ich wirklich keinem !

Über eigene Erfahrungen verfüge ich (Gott sei Dank!) nicht, aber hab' mal was darüber gelesen, das mir auch plausibel erscheint. Wichtig ist demnach, die Elektrizität auf dem direktest möglichen Weg zur Masse (das ist bei uns ja letztlich das Wasser) abzuleiten.

Da der Blitz meistens das Rigg trifft und dieses außerdem bei unseren GfK-Schiffen fast der einzige elektrisch leitende Teil oberhalb der Wasserlinie ist, kann man also bei Gewitter eine elektrisch gut leitende Verbindung zwischen Rigg und Wasser herstellen. z.B. Drähte mit großem Querschnitt oder einen Kettenvorläufer aus der Ankerausrüstung an den Hauptwanten oder am Vorstag leitend befestigen und ins Wasser hängen lassen. Dies soll dann die Energie des Blitzes ableiten.

Das Achterstag ist nur dann geeignet, wenn auf sein unterer Bereich mit dem übrigen Rigg leitend verbunden ist. Also da beliebte geteilte Achterstag nur dann, wenn alle darin verbauten Blöcke aus leitendem Material sind (also komplett aus Metall). Und natürlich auch nur an den Stellen, wo der Fußpunkt leitend mit dem übrigen Rigg verbunden ist, also z.B. nur an der festen, aber NICHT an der Taljenseite des geteilten Achterstags, da ja das Tauwerk der Talje nicht aus leitendem Material besteht.

Diese Maßnahme leitet zwar so viel Energie wie möglich ab, ist aber natürlich kein Garant dafür, dass über die Verkabelungen vom Mast aus dennoch Überspannungen durch die elektrischen Leitungen auf die installierten Geräte gelangen. An Land vergleichbar mit Einschlägen in die Dachantenne, durch die z.B. eine Telefonanlage oder andere Geräte, die eigentlich nicht mit der Antenne verbunden sind, dennoch zerstört werden. Hiergegen hilft letztlich wohl nur physikalisches Abkoppeln von der leitenden Verbindung. Also an Land das klassische "Netzstecker ziehen". An bord könnte man entsprechend versuchen, zumindest die Decks-Trennstelle zwischen der Verkabelung im Mast aufzumachen, so dass zwischen dem Mast und den anderen elektrischen Geräten an Bord keine leitende Verbindung mehr besteht.
NACHTEIL: Dann kannst Du natürlich im Topp kein Licht mehr zeigen (z.B. Dreifarbenlaterne, Ankerlaterne), und das kann je nach Situation auf anderer Ebene unerwünscht oder gar gefährlich sein (z.B. Gewitter nachts am Ankerplatz - dann wärst Du ohne Ankerlaterne für andere, die vielleicht Schutz suchen wollen, unsichtbar und das könnte zu einer Kollision führen...) Kann man also letztlich nur aus den konkreten Umständen der Situation heraus entscheiden, ob die Deckstrennstelle aufgemacht werden sollte oder lieber nicht...

Vielleicht kann ja einer unserer Elektrikfreaks noch was beisteuern.

Mast- und Schotbruch


Gerald
jan himp

Der GAU, Blitzschlag in eine Neptun

Beitrag von jan himp » Mi 6. Sep 2006, 18:41

Lieber Tom,

Zunächst möchte ich Dir herzlich zum Überleben gratulieren, denn ein Direkteinschlag in eine Neptun ist der GAU.

Ich bezweifele, daß der Blitz wirklich voll eingeschlagen ist und nicht in den Steg, oder ein anderes Objekt in der Nähe. In dem Fall hätte Dich eine Nebenlinie erwischt, was schon schlimm genug ist. Vielleicht hat das jemand von außen gesehen.

Normal liegt das Rigg einer Neptun 22 “hoch”, heißt: wenn keine Kurzwellenfunkanlage vorhanden ist, hat das Rigg keine Vebindung zum Wasser.
Auch die Generatorspule des Motors hat meist keine Verbindung zum Motorgehäuse.
(Ein Diesel hat aber Minus am Gehäuse und an der Propellerwelle).

Ein Einschlag in den Mast läuft wie folgt ab:

Der Blitz erreicht den Mast und breitet sich entsprechend den seiner Meinung nach günstigsten Widerständen und Funkenstrecken aus.
Entlang der Wanten mit Überschlägen ins Wasser, aber Verästelungen in die Seereling und die Elektrik, evtl. bis zum Kiel.
Über das Achterstag auf auf den Motor ins Wasser und über die Badeleiter ins Wasser. 30 cm spielen da keine Rolle.
Ganz schlimm ist natürlich der Weg vom Mastfuß durch den Innenraum in den Kiel, der eine satte Erde darstellt, auch wenn er mit GFK verkleidet ist.
Es gibt oft eine Vielzahl kleiner Löcher im Rumpf.

Wenn sich jemand unter Deck aufhält, kann er 20 min nichts mehr sehen und auch Verbrennungen erleiden.

Die von Gerald zitierte Ankerkette kann einen großen Teil der Last geräuschvoll ableiten, aber Kollateralschäden nicht verhindern.

Werden beidseitig Erdungsseile an den Mastfuß geklemmt, sollten nach meiner Meinung auch Blechplatten im Wasser hängen, die die Übergangsfläche vergrößern. Dadurch wird dem Blitz evtl. der Reiz genommen, sich einen Weg durch die Kabine zum Kiel zu suchen.

Moderne Elektronik kann nicht wirklich geschützt werden.
Ein Funkgerät im Backofen oder ein GPS in einer verschraubbaren Keksdose haben dagegen gute Überlebenschancen.

Insgesamt ist ein wirksamer Schutz nur möglich, wenn ständig ein reduzierter Lagerbestand eines Metallhandels mitgeführt wird.

Nachfolgend ein gekürzter Artikel von mir, der sich mehr mit Blitzschutz auf großen Yachten befaßt:



Bei den Schutzmassnahmen gibt es zunächst nur die Idealvorstellung
des gesteckten Mastes, bei dem der Fuß über ein schweres Flach-
eisen mit einem Metallkiel verbunden ist. Das Eisen darf dabei
sogar noch fast 1 m horizontal verlegt werden.
Im Idealfall würde der Blitz mit einem Knall unverästelt im Mast
verschwinden und man müßte sich nur Gedanken machen, ob man immer
schon ohne Windmessanlage, Ankerlicht und Antenne unterwegs war, und wo die merkwürdigen Vertiefungen im Alu des Mastkopfes her-
kommen.

Bei einem Direkteinschlag werden hier noch einzelne Glühlampen
funktionsfähig sein und ein Funkgerät Bauj. ca. 1970 dürfte noch
Lebenzeichen von sich geben, obwohl die Antenne weg ist.

Werden dem Blitz Wege in Form von Schweisskabeln, die an die Wanten geklemmt werden, vorgegeben, muß auf jeden Fall auf einen großen Querschnitt und eine knickfreie Verlegung geachtet werdden.

Der Blitz muss sich einfach in einem vorgegebenen Weg „wohlfühlen“, dann verläßt er ihn auch nicht, um im Boot zu vagabundieren, um nach scheinbar mit der Erde verbundenen Teilen zu suchen.

Die über Bord gehängten Erdungsseile sind mehr als nur psychologische Selbsttäuschung, wenn die Anzahl und der Quer-
schnitt stimmt. Der Blitz bleibt berechenbarer, weil die Wanten und Stagen als „Wegweiser“ dienen.

Die Wanten werden vom Blitz zwar gern angenommen, wenn er aber
drin ist, merkt er, daß VA-Draht einen sehr hohen ohm´schen
Widerstand hat, der die unvorstellbare Impulsleistung überhaupt nicht übertragen kann. An der Farbe der Wanten kann man später die aufgetretene Temperatur abschätzen.

Erst an der Klemmstelle zu dem Erdseil sieht der Blitz wieder
0 Ohm, das ist auch dann die beschriebene kritische Stelle.
Beim Weg entlang der hochohmigen Wanten und Stagen neigt der
Blitz aber zum „Aussteigen“, wobei er sich dann zusätzliche
Bahnen sucht und Strukturschäden anrichtet.
Ein alter Fischkutter mit Stahlwanten sieht da besser aus.

Dem Schutz des menschlichen Lebens dient der Behelf auf jeden Fall, wenn genügend Seile vorhanden sind.

Der Mensch ist im Moment des Einschlages einem immensen
Spannungsfeld ausgesetzt, was davon abhängt, ob er sich zusammengekauert oder gestreckt aufhält. Es können sich gefähr-
liche Zustände wie z.B. Herzflimmern ergeben, die aber Mediziner besser beurteilen können. Schockzustände sind allein schon durch die Druckwelle möglich.

Die moderne Bordelektronik kann mit wirtschaftlich zu vertretendem Aufwand auf einem Sportboot nicht geschützt werden.

Besonders die heutigen Funkgeräte mit CE-Zeichen (Fachjargon: Chineese Export) erfüllen gerade einmal die Minimalanforderungen der Elektomagnetischen Verträglichkeit. Das CE-Zeichen sichert
praktisch nur die Einkommen einiger Leute in Brüssel.
bfust

Beitrag von bfust » So 10. Sep 2006, 22:09

Ich möchte Rolf gerne in irgendeine Ecke setzen, mit einer Wolldecke für auf die Beine und einer Flasche Danziger Goldwasser, und dann soll er einfach weiter erzählen, einfach immer weitererzählen, ich brauch das langsam als Hintergrundmusik...ginge das?
jan himp

Goldwasser

Beitrag von jan himp » Mo 11. Sep 2006, 09:52

Moin Bernard,

Goldwasser auf dem Tisch ist nicht verkehrt, weil hier ein gewisser Metallanteil vermutet wird.

Der Blitz geht also erst auf die Flasche, von da durch die Tischplatte auf das Standrohr um dann die letzten 40 cm zum Kielbolzen zu springen.

Die Wolldecke schützt vor unmittelbaren Strahlungsverbrennungen, weil der Blitzschlag sehr kurz ist.

Deine Halogenschwenkleuchte am Schott steht übrigens ziemlich weit ab.

Alles klar?

Gruß

Rolf
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