Gewichtsausgleich am Wind (Trapez/Ausreiten ...)

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beberich

Gewichtsausgleich am Wind (Trapez/Ausreiten ...)

Beitrag von beberich » Mo 21. Aug 2006, 10:59

Hallo zusammen,

ich war gestern das erste mal mit meiner Neptun 20 bei etwas Wind (3-4) unterwegs. Ich merkte schnell, das ich mein Gewicht nicht optimal positionieren konnte um ein bisschen gegendruck zur Schraeglage zu erzeugen. Erstes problem ist, dass ich erstmal einen teleskoppinnenausleger benoetige um vernuenftig auf der Kante zu sitzen.

Beim vorbeifahren einer Trapezjolle scherzten wir dann darueber das wir sowas auch brauchen. Mein Vorschoter suchte sich sofort ein tau und befestigte es am Handlauf um sich ein bisschen raus zu beugen, das brachte schon etwas .. aber optimal war das ganze nicht wirklich.

Wie haltet ihr das? Was macht ihr wenn ihr alleine segelt, reicht das Kante sitzen? Und die natuerlich mit grinsen gestellte Frage: hat jemand ne Trapezeinrichtung an seinem Kleinkreuzer ? ;-)

Viele Gruesse aus Muenchen
Sven!
bfust

Beitrag von bfust » Mo 21. Aug 2006, 18:42

Hi,
ich sitz meist auf dem Süllrand und steuer mit dem Fuß - Bei Schwachwind gern auch in Lee um den Kahn vorsätzlich zu krängen, dann läuft er schneller!

Bernard
Gerald

Krängung

Beitrag von Gerald » Di 22. Aug 2006, 00:17

Moin Sven,

willkommen erst mal in der 20er-Fraktion!

Ich steuere bei Schwachwind auch gern von Lee. Die leichte Krängung, die ich dadurch mit meinen ~90 kg verursache, macht nicht nur das Schiff ein bisschen lebendiger (weil die benetzte Fläche des Unterwasserschiffs verringert wird und weil das Eigengewicht des Segeltuchs ein gewisses Profil in den Segeln erzeugt, so dass diese besseren Vortrieb liefern), sonder vor allem habe ich dort eine bessere Übersicht über das Geschehen:

- Ich kann in Lee besser an der Genua vorbeischauen, ob sich andere Boote auf Kollisionskurs befinden.

- Ich kann von achtern her genau in das Profil des Vorsegels schauen und sehe besser, wann die Vorlieksfäden zu tanzen beginnen bzw. wann das Vorliek einfällt.

- Da Krängung grundsätzlich etwas Luvgierigkeit verursacht, gleiche ich dadurch zum größten Teil die bei ganz geringem Wind spürbare konstruktive Leegierigkeit des Bootes aus und brauche nicht ständig mit dem Ruder gegenzukorrigieren (was ja auch bremsen würde).

Aber zurück zu stärkerem Wind:
Ich habe einen Ausleger auf der Pinne und nutze diesen auch regelmäßig, allerdings kann ich wegen der Reling nicht auf dem Süll sitzen sondern muss mit der Standardposition auf der luvseitigen Plichtbank vorliebnehmen. Dort setze ich mich relativ weit nach vorn, damit der Spiegel nicht zu arg saugt (und etwas breiter ist das Schiff dort ebenfalls...).

Bei den von Dir angegebenen 3 - 4 Windstärken würde unsere Agena aber auch Am Wind sogar zum vollen Großsegel noch die Genua (11 m²) gut tragen können, die Krängung sollte dann bei 3 Beaufort zwischen ca. 5° und ca. 10° liegen. Mit Genua bei 4 Beaufort sollte die Krängung zwischen ca. 10° und in Böen vielleicht max. ca. 20° liegen. Bei 4 Beaufort denke ich dann erstmals daran, die Genua herunterzunehmen und statt dessen die Standardfock (7 m²) zu setzen. Groß kann noch voll stehen bleiben bis ca. Ende der 5 / Anfangs der 6 Beaufort, dann kommt das erste Reff rein. Kurze Böen pariere ich wie auf der Jolle durch dosiertes Fieren der Großschot, wenn die Krängung auf über 20° geht.

Generell kannst Du unseren Kielschiffe schon etwas mehr Krängung erlauben als einer Jolle. Schließlich braucht der Ballast ja auch einen gewissen Winkel, bis sein Gewicht als aufrichtendes Moment zum Tragen kommen kann. Wenn die Krängung längerfristig über 15°-20° bleibt, dann ist Zeit zum Segelkürzen (Reffen, kleinere Fock,...). Der Wind reicht dann auch, um trotz der kleineren Segelfläche die Geschwindigkeit zu halten, denn die geringere Krängung lässt dann das Schiff wieder entsprechend besser laufen. So zwischen ca. 10° und 15° Krängung läuft die 20er nach meinem Eindruck am besten.

Vergleiche mal die Krängung der 20er mit anderen Kleinkreuzern der gleichen Größenklasse bei gleichem - in der Regel wird die 20er ihre Segelfläche länger tragen können als andere Schiffe um ~6 Meter LüA. Zu wenig Stabilität hat sie sicher nicht!

Solltest Du deutlich größere Krängungswinkel haben als von mir in den Beispielen beschrieben, dann stimmt etwas anderes nicht (z.B. Trimm, Segel zu dicht für den Kurs, ...). Und natürlich muss das Schwert immer ganz unten sein, zum einen weil Du die Schwerpunktänderung des Ballasts bei aufgeholtem Schwert schon ganz anständig in Form zusätzlicher Krängung merkst, zum anderen weil das Schiff bei aufgeholtem Schwert ziemlich luvgierig wird. Die Schwertfläche wird ja achtern aus dem Schwertkasten herausgefiert, also verschiebt das Aufholen des Schwerts den Lateraldruckpunkt erheblich nach vorn. Somit steht der Segeldruckpunkt entsprechend weiter achterlich vom Lateraldruckpunkt, und das ergibt halt die Luvgierigkeit. Außerdem wirst Du bei aufgeholtem Schwert Am Wind eine sehr starke Abdrift erhalten, weil dem Schiff ganz einfach die Lateralfläche gegen das Abtreiben fehlt.

Wenn Deine 20er auf einfallende Böen zu giftig reagiert, schau mal auf die Unterwanten-Einstellung. Die vorderen Unterwanten sollen wirklich gut auf Spannung stehen, ebenso die Hauptwanten, aber die achteren Unterwanten dürfen ein wenig Lose haben. Dann kann der Mast durch seine Elastizität einfallende Böen ein wenig abfedern.

Auf dem Vorstag darf ruhig ordentlich Zoff stehen, und bei auffrischendem Wind auch auf dem Achterstag . Auf jeden Fall muss die Vorstagspannung stark genug sein, dass das Vorliek des Vorsegels möglichst wenig durchhängt, und es muss auch auf dem Vorsegelfall selbst genug Spannung stehen, dass das Segel auch in Böen zwischen den Stagreitern nicht durchzuhängen beginnt. Anderenfalls verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Vortriebskraft und krängender Kraft des Vorsegels rapide. Kleiner Trick: Ich gebe zum Setzen des Vorsegels den Achterstagspanner ganz lose, sezte das Fall so stark durch wie ich es mit Körperkraft und -Gewicht kann, und hole dann zum Schluss den Achterstagspanner so weit dicht, wie es dem Wind entspricht. So kriege ich in aller Regel genug Spannung auf das Vorliek des Vorsegels.

Viel Spass bei den Trimmübungen!

Mast- und Schotbruch
beberich

Beitrag von beberich » Mi 23. Aug 2006, 13:53

Moin gerald,

vielen lieben Dank fuer die laaange und ausfuerliche Erklaerung, werde deine trimmtipps mal bei mir checken. Vielen Dank, das ganze hat mich schon einen Ecke weitergebracht und nun such ich mir mal nen Pinnenausleger und werd das bei den naechsten Fahrten mal ausprobieren.

Mich macht(e) es nur etwas nervoes auf der Plichtbank zu sitzen wenn sich das Boot so kraengt ... ;-)

Alsdann
Sven!
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